Geht durch KI der menschliche Faktor der Personalabteilung verloren?
Blog / 2. Juni 2023 / bei Hassan YaqubInhalt:
Das Jahr 2023 ist bisher geprägt durch die rasante und kommerzielle Entwicklung von künstlichen Intelligenzen. In jedem Bereich wird aktuell daran geforscht, wie alltägliche Aufgaben mithilfe von KI vereinfacht werden können. Fast täglich tauchen dabei neue, vielversprechende KI Tools im Internet auf. Und auch der Bereich HR bleibt hiervon nicht unberührt. Hunderte Blogartikel berichten darüber, wie KI Tools bereits jetzt den Arbeitsalltag von Personalern erleichtern können.
Jedoch unterscheidet sich HR sehr von anderen Geschäftsbereichen im Unternehmen - denn es geht dabei um das Management von Individuen. Der Job von Personalern ist es, immer die bestmögliche Mitarbeitererfahrung zu gewährleisten - egal ob sie im Bereich Recruiting, Employer Branding oder Culture arbeiten. Hierbei kommt es oftmals auf Nuancen an: Wir Menschen sind alle unterschiedlich und individuell. Was für den einen funktionieren mag, lässt sich nicht auf alle anwenden. Mit diesem individuellen Personalmanagement sehen sich HR Professionals täglich konfrontiert.
Deshalb tauchen an dieser Stelle berechtigte, kritische Fragen auf: Können künstliche Intelligenzen dieses individuelle und einfühlsame Management eines Personalers wirklich ersetzen? Werden die Mitarbeiter dabei nicht eher zu einer statistischen Masse, die aufgrund von Wahrscheinlichkeiten gemanagt werden? Und können diese KI Tools komplexe Initiativen wie DEI tatsächlich abbilden, oder zerstören sie jahrelange harte Arbeit?
In diesem Artikel werde ich darauf eingehen, wie künstliche Intelligenzen Personaler unterstützen können, ohne den Faktor Mensch außer Acht zu lassen und welche Gefahren hier dennoch lauern.
KI im Bereich Recruiting
Von allen Aufgabenbereichen der HR Abteilungen, ist Recruiting wohl der Bereich, der aktuell am schnellsten von KI Tools erobert wird.
Auf den ersten Blick macht das auch absolut Sinn. Denn Personaler stehen hier oft vor der Aufgabe, sprichwörtlich die Nadel im Heuhaufen zu finden. Sie klicken sich durch hunderte Bewerbungen und filtern den Talentpool nach den vielversprechendsten Kandidaten. Doch genau diese Kandidaten herauszufiltern ist nicht nur zeitaufwendig, sondern erfordert einen hohen Grad an Kompetenz. Die Personaler müssen dabei immer im Hinterkopf behalten, welche speziellen Anforderungen für die einzelnen Jobs wichtig sind.
Hierbei können KI Tools tatsächlich hilfreich sein. Celestial.ai beispielsweise, kann eine Liste aller potenzieller Kandidaten erstellen, indem es ihre LinkedIn Profile scannt.
Ein KI Tool, das dabei helfen kann, die Massen an Bewerbungen vorzusortieren ist Ideal. Dieses Tool analysiert die Lebensläufe der Bewerber und filtert sie vor. Somit können sich HR Professionals Stunden an mühseliger Arbeit sparen.
Auch administrative Aufgaben im Bereich Recruiting können durch künstliche Intelligenzen unterstützt werden. Nachdem die Bewerbungen gefiltert wurden, ist es wichtig, mit dem Kandidaten im Kontakt zu bleiben und alle Fragen zügig zu beantworten. Ein Chatbot, der hierfür entwickelt wurde, ist Olivia. Dieser Bot gibt den Kandidaten das Gefühl, dass individuell auf ihre Fragen und Bedenken reagiert wird – und spart der Personalabteilung einiges an Zeit.
Das Problem von KI Einsatz im Recruiting
Eine der ständigen Diskussionen im Bereich der Personalbeschaffung ist die Frage, wie man (bewusste und unbewusste) Voreingenommenheit so weit wie möglich aus dem Prozess entfernen kann. Einige Änderungen sind simpel und leicht umsetzbar, wie das Entfernen von Namen und Fotos aus den Bewerbungsunterlagen. Bei anderen geht es darum, mehr Feedback zu einer Bewerbung zu erhalten oder kompetenzbasierte Bewertungen vorzunehmen.
Werden KI Tools dafür eingesetzt, Kandidaten vorzufiltern, müssen sich Unternehmen bewusst sein, dass die KI Entscheidungen aufgrund bereits vorhandener Daten trifft. Das bedeutet, dass die KI in einem Geschäftsbereich, in dem Positionen hauptsächlich von Männern besetzt sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit männliche Kandidaten bevorzugen wird, da es aufgrund historischer Daten handelt. Des Weiteren kann es sein, dass die KI Kandidaten mit Abschlüssen bestimmter Universitäten bevorzugt und hoch qualifizierte Quereinsteiger kaum eine Chance haben.
Daher muss sichergestellt werden, dass der menschliche Faktor beim Einsatz dieser Tools nicht verloren geht. Personaler sollten regelmäßig gegenchecken, ob der Filter der KI richtig eingestellt ist und nicht eventuell vielversprechende Kandidaten aussortiert werden. Denn wenn die KI aufgrund der historischen Daten Entscheidungen trifft, kann es zu vielen dieser Fehler im Recruiting Prozess kommen. Somit kann der initiale Gedanke, KIs zur Eliminierung von Voreingenommenheit einzusetzen, ganz schnell schiefgehen.
Und noch ein letzter Gedanke zum Thema Recruiting und KI: Wir dürfen nicht vergessen, dass hinter all diesen Bewerbungen Individuen stehen. Diese verdienen einen fairen Umgang und eine individuelle Betrachtung ihrer Kompetenzen. Das kann aktuell von den künstlichen Intelligenzen nicht immer gewährleistet werden.
KI für Mitarbeiterentwicklung
Ein anderer Bereich, in dem sich der Einsatz von KI anbietet, ist Mitarbeiterentwicklung.
Sogenannte Learning Management Systems (LMS) können dafür eingesetzt werden, die Kompetenzbereiche und Kompetenzlücken von Mitarbeitern zu analysieren. Aufgrund dieser Analyse können LMS individuelle Weiterbildungsprogramme erstellen. Das führt dazu, dass nicht mehr alle Kollegen die gleiche Weiterbildung erhalten, sondern genau in den richtigen Bereichen gefördert werden.
Diese Tools können ebenfalls bei der internen Stellenbesetzung helfen. Die KI kann erkennen, welche Mitarbeiter sich für offene Stellen im Unternehmen eignen. Bekunden diese Mitarbeiter dann Interesse daran, andere Geschäftsbereiche kennenzulernen, kann ohne langen Bewerbungsprozess eine Entscheidung getroffen werden. Auf diese Weise können auch Mitarbeiter mit Führungspotential erkannt und gezielt gefördert werden.
Die Risiken von KI Einsatz bei der Mitarbeiterentwicklung
Tools, die KI zur Unterstützung der Mitarbeiterentwicklung einsetzen, verwenden oft sehr standardisierte Testmethoden. Sie führen Online-Schulungen zusammen mit Quizfragen oder Übungen durch, die zentral bewertet werden, wobei das Ergebnis eine Reihe von Daten ist, die mit den Ergebnissen der anderen Mitarbeiter verglichen werden können.
Ein Risiko besteht darin, dass diese Art von Trainingsprogrammen nicht für alle Lerntypen geeignet ist und daher einigen Mitarbeitern mehr Spaß macht und leichter fällt als anderen. Es ist auch nicht empfehlenswert, sich bei der Identifizierung potenzieller Führungskräfte alleinig auf die Beurteilungen der KI zu verlassen. Sie können ein nützlicher zusätzlicher Datenpunkt sein, spiegeln aber möglicherweise nicht genau wider, was ein Mitarbeiter für ein Unternehmen leistet.
KI für Mitarbeiterzufriedenheit und Förderung der Unternehmenskultur
KI-Tools können auch für die People & Culture Abteilung äußerst hilfreich sein.
Das Tool LumApps beispielsweise, automatisiert und passt die interne Kommunikation an. Die konversationsbasierte Suchfunktion erleichtert den Mitarbeitern die Suche nach Informationen zu Unternehmensrichtlinien, internen Wissensdatenbanken oder anderen häufig gestellten Fragen. Außerdem erhalten die Mitarbeiter einen personalisierten Content-Feed, der Inhalte von Kollegen oder Abteilungen enthält. Dies kann zu einer kollaborativen und offenen Unternehmenskultur beitragen.
Tools wie Semos Cloud helfen Managern dabei, Auszeichnung von Mitarbeitern zu automatisieren und Belohnungen oder Glückwünsche in einem gemeinsamen digitalen Raum zu sammeln. Es verwaltet und analysiert auch Daten aus Mitarbeiterbefragungen, sodass die People & Culture-Teams mehr Einblick in den Status quo haben, ohne die Daten selbst verarbeiten zu müssen.
Was ist beim Einsatz von KI für die Mitarbeiterzufriedenheit zu beachten?
Wie bei den KI-Tools für die Mitarbeiterentwicklung neigen auch diese Tools dazu, die Ergebnisse in ein Datenset zu verwandeln, das leicht zu verarbeiten und zu vergleichen ist. Dadurch können die qualitativen Daten verloren gehen, die gerade in diesem Bereich so wertvoll sind.
Es reicht beispielsweise nicht aus, zu wissen, dass die Mitarbeiter das Unternehmen im zweiten Quartal mit 10% geringerer Wahrscheinlichkeit als Arbeitgeber weiterempfehlen würden. Sie müssen wissen, was sich seit dem ersten Quartal geändert hat und was der Auslöser für diese Entwicklung ist.
Ein anderer potenzieller Nachteil des Einsatzes eines KI-Tools für die interne Kommunikation ist der gleiche wie bei jedem anderen virtuellen Format - die Mitarbeiter haben in der Regel die Möglichkeit, Benachrichtigungen zu deaktivieren. Wahrscheinlich werden sie das auch tun, wenn sie den Inhalt eher als Ablenkung und nicht wertvoll empfinden. An dieser Stelle ist die persönliche interne Kommunikation der Personalabteilung gefragt: diese sollte die Vorteile der Tools klar kommunizieren und hervorheben, sodass diese auch genutzt werden.
KI-Tools für die interne Kommunikation nehmen nicht die komplette Arbeit der Personaler ab, Sie sind jedoch ein zusätzlicher, nützlicher Kanal, der weniger aktives Management erfordert und mithilfe der richtigen Ankündigung auch sinnvoll genutzt werden können.
KI-Tools für HR - Sorgfältige Auswahl und ständige Überprüfung sind unerlässlich
Dieser Artikel kratzt nur an der Oberfläche, wie KI die Personalabteilung zukünftig verändert. Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie Technologie den Verwaltungsaufwand reduzieren und Prozesse rationalisieren kann - und wir können und sollten das nutzen.
Personalverantwortliche gehen jedoch in der Regel ihrem Job nach, weil sie eine Affinität zu Menschen haben. Wenn neue HR-Technologien Mitarbeiter weiterhin Datenblöcke verwandeln oder exzellente Bewerber allein aufgrund von Datenanalysen ablehnen, dann verfehlen sie ihren Zweck.
KI wird ohne Frage ein unglaublich mächtiges Werkzeug für die Personalabteilung sein.
KI-basierte Technologien sollten es Personalleitern ermöglichen, Zeit zu sparen, um mehr Raum für persönliche Gespräche freizuräumen. Sie sollten HR-Manager dabei unterstützen, maßgeschneiderte und durchdachte Initiativen zu entwickeln. Bei der Auswahl und der Implementierung der Tools darf jedoch nie vergessen werden, dass die Technologie auch Raum für Fehler lässt. Schließlich kann eine Technologie, die ständig lernt, auch zu falschen Schlüssen kommen, wenn sie nicht regelmäßig überprüft wird.
Über den Autor:
Hassan Yaqub
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