„Frauen in Führungspositionen relativieren das Machogehabe“
Blog / 9. Juli 2018 / bei Stefan MelbingerMitarbeiter seien die wichtigste Ressource im Unternehmen, heißt es. Tatsächlich aber herrscht häufig eine Arroganz der Macht, die viele Beschäftigte vor den Kopf stößt. Die Leitlinie „Ober sticht unter“ führt zu einem Unternehmensautismus, in dem viel zu wenig miteinander geredet wird, so Professor Dr. Stephan Laske, Vorstandsmitglied der Transformation Management AG (TMAG) Im Interview mit der Redaktion des Mystery Lunch Blogs erklärt er, warum das auch wirtschaftlich negative Folgen hat. Und wie eine bessere Unternehmenskultur etabliert werden kann.
Herr Professor Laske, mit der Digitalisierung reden alle von der Bedeutung des Talent Management. Wie passt das zusammen mit dem Phänomen, das Sie eine „Arroganz der Macht“ nennen?
Eigentlich passt das überhaupt nicht zusammen. Und doch erleben wir es täglich in Firmen jeder Größe. Das Management ist oft nicht bereit, mit Mitarbeitern wirklich ins Gespräch zu kommen, sofern diese nicht wenigstens auf mittlerer Führungsebene angesiedelt sind. Dabei kann eine Mitarbeiterin im Call Center einem Vorstand vielleicht manchmal einen realistischeren Blick auf die Realität verschaffen – gerade, weil sie nicht im Elfenbeinturm sitzt. Aber das wollen viele nicht wahrhaben. Statt miteinander zu arbeiten, herrscht das Prinzip „Ober sticht Unter“. Das beginnt übrigens bereits auf Bereichsleiterebene und führt in der Konsequenz dazu, dass gar nicht mehr wirklich miteinander geredet wird. Höchstens noch aneinander vorbei.
Dabei heißt es doch, die Mitarbeiter seien die wichtigste Ressource im Unternehmen…?
Die Mär vom gegenseitigen Respekt und dem „Miteinander auf allen Ebenen“ ist häufig eine oberflächliche, unglaubwürdige, pseudo-humanistische Lüftlmalerei.
Wo sehen Sie die Gründe für das Prinzip „Ober sticht Unter“?
Da kommen mehrere Dinge zusammen: Zum einen geht es darum, dass Kaiser und Könige schon immer unter sich geblieben sind – aus Prinzip: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, singt Franz Josef Degenhard. Für meine Begriffe ist das eine Arroganz der Macht. Es hat zu tun mit Selbstüberschätzung und fehlender Selbstkritik des Managements. Viele denken auch, sie säßen fester im Sattel, wenn sie sich an die Zügel klammern. Darüber hinaus meinen viele Manager, mit Druck von oben mehr erreichen zu können – mehr Leistung aus den Mitarbeitern rauszuholen.
Stimmt das denn?
Kurzfristig vielleicht, langfristig definitiv nicht. Eine Kultur der Angst lässt Menschen im Sprint vielleicht mal schneller rennen. Aber auf lange Sicht brennen sie aus, werden ideenlos und trauen sich gar nicht mehr, ihre Ideen in die Waagschale zu werden. Als Pädagoge weiß ich: Angst macht dumm. Das ist tödlich, denn in der heutigen Zeit ist eine Innovationskultur für Unternehmen überlebensnotwendig. Mit Überheblichkeit wird es ein Manager also nicht weit bringen. Stattdessen sollte das Management vielmehr auf ein dialogisches Miteinander über Ebenen hinweg setzen.
Wie kann ein solches dialogisches Miteinander denn dann gelingen? Es gibt doch niemand gerne Macht ab…
Es geht ja nicht darum, Macht abzugeben. Sondern darum, verantwortlich mit ihr umzugehen. Das ist zunächst mal eine Frage der richtigen Werte. Wenn Macht eingesetzt wird, andere zu stärken, zuweilen auch mit Nachdruck, dann ist sie nicht bedrohlich, sondern förderlich. Letztlich verhilft es einem Manager zu wesentlich mehr Anerkennung und Autorität, wenn er authentisch und dialogfähig auftritt, als wenn er von oben draufhaut. Und unter dem Strich, davon bin ich überzeugt, macht sich das auch in einem ökonomischen Sinne positiv bemerkbar.
Was motiviert Unternehmen dabei?
Eine wichtige Motivation ist der Kampf um Nachwuchstalente – denn junge Fachkräfte beziehen die Unternehmenskultur maßgeblich in ihre Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber ein. Ein anderer entscheidender Punkt ist die Frage, wie Projekte erfolgreich gestaltet werden. Gute Kommunikation und Austausch über Abteilungsgrenzen hinweg ist nachweislich ein entscheidender Faktor, wenn es um Entwicklung und somit um Wettbewerbsfähigkeit geht. Damit kommt glasklar auch ein monetärer Faktor zur Geltung.
Wie kommen Firmen aus Ihrer Erfahrung zu einem besseren Dialog?
Wenn es um mehr Dialog geht, muss jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden. Als Berater helfen wir dabei, indem wir bestehende Strukturen bewerten. Dann entwickeln wir gemeinsam mit den Kunden Lösungen, die auf deren Situation zugeschnitten sind – „nix von der Stange, sondern gewissermaßen handgefertigt.“. Natürlich gibt es dabei wiederkehrende Elemente. Einen Anfang machen zum Beispiel spielerische Ansätze wie ein sogenanntes Reverse Mentoring: Hier werden Mitarbeiter zu Mentoren ihrer Chefs. Das hilft, Festgefahrenes aufzubrechen und Neues möglich zu machen. Oder natürlich eine Vernetzung von Mitarbeitern über Angebote wie Mystery Lunch: Allein die Überlegung der Einführung zeigt, dass ein Umdenken schon begonnen hat. Die ersten Schritte im Rahmen dieses Changes sind dann also bereits gemacht.
Wie optimistisch sehen Sie die Zukunft?
Firmen aus ganz unterschiedlichen Branchen haben bereits damit angefangen, starre Strukturen aufzubrechen und versuchen, die althergebrachten Muster zu brechen. Was mich optimistisch stimmt ist, dass sich Unternehmen wichtige Dinge gern voneinander abschauen – so entsteht quasi ein viraler Effekt. Außerdem sind nun Zug um Zug mehr Frauen in Vorständen und Geschäftsleitungen vertreten. Frauen richten ihren Fokus in aller Regel wesentlich stärker auf einen guten Dialog. Damit relativieren sie das Machogehabe beinahe automatisch. Das halte ich für den besten Lösungsansatz.
Herr Prof. Laske, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Prof. Dr. Stephan Laske: Durchführung von Studien über Mystery Lunch
Für das Nachschlagewerk PersonalEntwickeln (Wolters Kluwer) hat Prof. Dr. Stephan Laske gemeinsam mit Martin Sonnert, seinem Kollegen von der TMAG, eine umfassende Recherche über Mystery Lunch durchgeführt. Dabei hat er unter anderem Kunden von Mystery Lunch interviewt. Im Rahmen ihrer Studien haben Stephan Laske und Martin Sonnert evaluiert, in wie weit Unternehmen von der Plattform profitieren. Dies ist auf drei Ebenen der Fall:
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INHALTLICHE EBENE:
Unternehmen sind funktional vernetzte Systeme – die Vernetzungsqualität lässt jedoch häufig zu wünschen übrig. Dies hat im nationalen und internationalen Wettbewerb gravierende Auswirkungen – insbesondere für Firmen, die in VUCA Märkten tätig sind (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity). Gerade hier gilt es, neue Ansätze zu entwickeln. Wenn der Ball wie beim Ping-Pong-Spiel immer wieder übers Netz gespielt wird und neue Akteure dazugekommen, wird eine Grundlage für Innovation und für technologische Neuerungen gelegt. In diesem Sinne ist Mystery Lunch eine Variante des Ping-Pong.
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SOZIALE EBENE:
Mitarbeiter haben ein Bedürfnis nach sozialer Interaktion. Sowohl in mittelständischen Unternehmen als auch in Konzernen kennen sich Kollegen aber häufig gar nicht oder kaum. Ein „Miteinander reden“ ist die Grundlage für ein emotionales Grundverständnis und für grenzüberschreitendes Arbeiten. Mystery Lunch legt die Basis für Kommunikation.
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METHODISCH-SPIELERISCHE EBENE:
Viele Mitarbeiter schätzen Abwechslung, gepaart mit Leichtigkeit. Sie sind offen gegenüber neuen Themen und Gesprächspartnern. Der Überraschungseffekt von Mystery Lunch („Mit wem werde ich zusammengelost“) in Verbindung damit, dass kein organisatorischer Aufwand notwendig wird, stößt auf positive Resonanz. Hinzu kommt, dass sich jeder Teilnehmer freiwillig und zwanglos anmeldet. Es sind nur diejenigen im Lostopf, die neugierig auf neue Kontakte und Horizonte sind. Schlussendlich ist Mystery Lunch eine Form von Gaming – das kommt äußerst gut an.
Prof. Dr. Stephan Laske ist Vorstandsmitglied der Transformation Management AG (TMAG). Seit 1980 war er als Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität Innsbruck tätig. Er befindet sich dort seit 2009 im „aktiven Ruhestand“ und widmet sich seitdem intensiv seiner beratenden Tätigkeit bei der TMAG.
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